[24.09.2021] Dunkel-Rezension (ab jetzt - Spoiler!!!)

Begonnen von Metabolit, 22. September 2021, 13:48:10

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Welche Note gebt Ihr dem Album, wenn 1 die Beste und 6 die schlechteste Note ist?

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Stimmen insgesamt: 107

Metabolit

#260
Diese Diskussion offenbart vieles.

1. Es fehlt oft an Abstand zu ironischen Texten.

2. Kritik an einem Song wegen Minderheiten-Bashing sollte man aushalten.

3.Empathie kann nur haben, wer selbst Erfahrungen gemacht hat.

4.Hier kommen verschiedenste Menschen und Sichtweisen sowie Erfahrungen zusammen. Respektiert das!

5.Ich glaube, DÄ ist diese Diskussion nicht egal.

@Gabumon: meine Freunde und grotesksong nicht zu vergessen.
In deinen Pupillen spiegelt sich blau der Ozean,
Ich frag mich im Stillen, ob das Leben noch schöner werden kann,
Ich bin zum Greifen nah bei dir...

supere10

Zitat von: this taco is not correct am 27. September 2021, 19:32:44In Liebe gegen Rechts lautet die Assoziationskette "Nazis - Diebe - Transfrauen". Das ist eine Aufzählung, wie die Ärzte sie NIEMALS, nicht mal in den 80ern, über Schwule & Lesben gemacht hätten.
Verstehe ich richtig, dass du diese drei Sachen so siehst, als würde die Band das alles als gleich "schlimm" oder generell als das gleiche ansehen?
Falls ja: nein.

Das sind einfach nur drei voneinander unabhängige Geschichten, die eine gute Wendung nehmen, aufgrund von Liebe.
Die Nazi-Frau, die aufhört dumm zu sein, weil sie von Liebe überzeugt wird. Liebe ist stärker als hass.
Die Frau, die nur klaut aber dann damit aufhört, weil sie von ihrem Partner, der sie liebt und den sie liebt, davon überzeugt wird.
Und am Ende Bernd, der sich traut, sich zu outen, weil sein Partner ihn liebt. Und am Ende heiraten sie. Weil Liebe.

Ich sehe in dem Song absolut gar nichts provozierendes. Das müsste mir jemand erklären. Ich sehe da eher die Message, dass man niemanden alleine lassen sollte, weil er "anders" ist. Um es mit Rammstein zu sagen: Liebe ist für alle da.

this taco is not correct

#262
Zitat von: Bobby die Bürste am 27. September 2021, 20:02:28
Der Titel ist ein ziemlicher Nonsens-Song, aber die zugrundeliegende Message ist für mich trotzdem positiv: Menschen können sich durch Liebe ändern und glücklich werden. Sei es politische Ideologie, kriminelles Verhalten oder sexuelle Identität. Ich sehe keine logische Aufzählung der Partnerinnen, weil von allen drei Beziehungen im Präsens gesprochen wird und die Partnerin in der dritten Strophe zur Ehefrau wurde. In meinen Augen geht es auch nicht darum, die Partnerin in der dritten Strophe zu verhöhnen. Sondern es geht darum, dass sie und ihr Partner ihre Identität akzeptieren und eine glückliche Ehe führen.

Ich glaube, du verstehst den Song genau so, wie Farin ihn auch gemeint hat. Aber mir kam der Refrain beim ersten Hören halt sehr ironisch vor, und dass der Text offenbar nicht so gemeint war, ist mir erst klar geworden, als ein Interviewer von der Ironie in dem Song gesprochen hat und von Farin unterbrochen wurde. Ich habe halt die Befürchtung, dass der Interviewer und ich nicht die einzigen sind, die den Song zunächst falsch verstanden haben. Und darum auch mein unwohles Gefühl bei der Vorstellung, dass der Text von Konzertgängern mitgegröhlt wird, die ihn aufgrund einer falschen Interpretation lustig finden.  :-\

Edit:
@supere10: Nein, meine erste Interpretation lautete nicht, dass Nazis, Diebe & Transfrauen gleichgesetzt würden. Meine erste Interpretation war, dass der Refrain ironisch gemeint sei, und das lyrische Ich nicht wirklich daran glaubt, dass Nazis durch Liebe auf den richtigen Pfad gebracht werden können. Und mit dieser Leseweise kam ich zu dem (Fehl-)Schluss, dass auch Transfrauen nur auf ironische Weise geliebt werden können.

Metabolit

Das ist so vielschichtig, kta needs live-chat  ;D
In deinen Pupillen spiegelt sich blau der Ozean,
Ich frag mich im Stillen, ob das Leben noch schöner werden kann,
Ich bin zum Greifen nah bei dir...

rauchschwein

Meiner Meinung nach kritisiert er doch bei "Anastasia" solche Kerle ziemlich eindeutig und lässt ihn ja auch leiden für sein Verhalten, man muss natürlich auch ansprechen was man kritisert. Die Grundaussage für mich ist Sexisten/Machos etc. sind A...löcher und ihnen gehört in die Eier getreten. Hätte er auch so sagen könne, wäre das Lied nur recht kurz.

Bei "Liebe gegen Rechts" fasse ich die Freundin nicht als eine Person auf, die eine Freundin wendet sich Nazis ab wegen der Liebe, die andere hört auf zu klauen, und bei der dritten Freundin kommt jemand mit seiner grossen Liebe zusammen, klingt ja als wenn da jemand nur drauf gewartet hat das Bernd sich outet um mit ihm/ihr zusammen zu kommen, vielleicht weil vorher gar nicht klar war ob Bernd transsexuell ist.
Mit Liebe wird alles gut, endlich können wir zusammen sein.

no_name1

Die ,,Liebe gegen Rechts"-Thematik wird auch im neuen Reclam-Büchlein besprochen.

Ich zitierte mal: (hoffe das ist ok. Sonst: einfach löschen.)

Das Portal Queer.de kritisiert das ,,deadnaming", das erwähnen abgelegter  Geburtstagsnamen, im Song ,,Liebe gegen Rechts": ,,meine Freundin hieß früher Bernd". Dazu befasst sich die erste Strophe mit einer ehemals rechtsradikalen Freundin, die zweite mit einer früher kriminellen, und die dritte eben mit einer Transfrau. Unklar ist dabei sogar Verfasser Farin, ob es sich hier sogar stets um ein und dieselbe Person handelt. All diesen Eigenschaften müsse man jedenfalls mit Liebe begegnen, ,,denn mit Liebe wird am Ende alles gut". Der Vorwurf der Zeit, dass in diesem Stück ,,Rechtsextremismus, Transphobie und Kleptomanie als heilbare Krankheiten nebeneinander stehen" ist zwar zugespitzt, doch in der Tat vermag diese thematische Mischung den falschen Anschein inhaltlicher Verwandtschaft zu erwecken, dazu kombiniert sie hier Unterdrücker mit Unterdrückten. Dabei will das Sprecher-Ich hier doch progressiv sein und eigentlich nur sagen: Liebe ist grenzenlos.

supere10

Manchmal habe ich das Gefühl, dass Leute zwangshaft danach suchen, um von irgendwas angepisst zu sein.
"Hier ist der neue DÄ Song "Liebe gegen Rechts". Da muss es doch irgendwas geben, schließlich kommt da eine Trans-Person drin vor. Zur Not verstehen wir das halt falsch und spitzen das etwas zu."

Ich bin dafür, dass man niemanden ausgrenzt und so. Jeder soll machen und tun, was er/sie will. Aber sowas geht mir richtig auf die Nerven. So, und jetzt zerreißt mich. ^^

Jocke

Liebe gegen Rechts habe ich eigtl. beim ersten Hören schon als Message verstanden, dass Bernd sich auf Grund der Liebe zu dem lyrischen Ich (endlich) zum Outing überwunden hat. Fand ich eigentlich eine schöne Story und habe auch damals schon die Aufregung nur bedingt verstanden.
Wie sich allerdings eine Person mit ähnlicher Situation fühlt, wenn sie sich plötzlich in dem Lied zusammen mit Strophe 1 wiederfindet, ist von außen nunmal schwer nachzufühlen. Aber ich denke, dass Farins Erklärungen da Abhilfe schaffen können  :)

Gabumon

Zitat von: no_name1 am 27. September 2021, 20:34:24
Das Portal Queer.de kritisiert das ,,

Also bitte, Queer.de ist vor allem eines nicht "seriös" das ding nimmt niemand ernst
«Das Internet? Gibts diesen Blödsinn immer noch?»
Homer Simpson, Sicherheitsinspektor im Kernkraftwerk Springfield.

this taco is not correct

Zitat von: supere10 am 27. September 2021, 20:37:52
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Leute zwangshaft danach suchen, um von irgendwas angepisst zu sein.

Solche Leute gibt es, ich gehöre aber wirklich nicht dazu. :) Ich habe die ersten beiden Strophen gehört, war von diesen beiden Strophen längst davon überzeugt worden, dass es sich hier um einen ironisch zu verstehenden Song handelt (und mochte das Lied bis dahin auch), und habe dann die dritte Strophe entsprechend interpretiert.

Wenn überhaupt, freut es mich, dass hier so viele Leute den Song anders verstanden haben. Das nimmt mir etwas die Bedenken vor den Live-Konzerten.

Partymonsterchen

Zitat von: no_name1 am 27. September 2021, 20:34:24
Die ,,Liebe gegen Rechts"-Thematik wird auch im neuen Reclam-Büchlein besprochen.

Ich zitierte mal: (hoffe das ist ok. Sonst: einfach löschen.)

Das Portal Queer.de kritisiert das ,,deadnaming", das erwähnen abgelegter  Geburtstagsnamen, im Song ,,Liebe gegen Rechts": ,,meine Freundin hieß früher Bernd". Dazu befasst sich die erste Strophe mit einer ehemals rechtsradikalen Freundin, die zweite mit einer früher kriminellen, und die dritte eben mit einer Transfrau. Unklar ist dabei sogar Verfasser Farin, ob es sich hier sogar stets um ein und dieselbe Person handelt. All diesen Eigenschaften müsse man jedenfalls mit Liebe begegnen, ,,denn mit Liebe wird am Ende alles gut". Der Vorwurf der Zeit, dass in diesem Stück ,,Rechtsextremismus, Transphobie und Kleptomanie als heilbare Krankheiten nebeneinander stehen" ist zwar zugespitzt, doch in der Tat vermag diese thematische Mischung den falschen Anschein inhaltlicher Verwandtschaft zu erwecken, dazu kombiniert sie hier Unterdrücker mit Unterdrückten. Dabei will das Sprecher-Ich hier doch progressiv sein und eigentlich nur sagen: Liebe ist grenzenlos.

Ist das die einzige Passage dazu, oder steht da noch mehr?

no_name1

Zitat von: Partymonsterchen am 27. September 2021, 21:10:20
Ist das die einzige Passage dazu, oder steht da noch mehr?

Danach wird noch Bezug auf ,,Meine Freunde" genommen, wo erst Homesexuelle, dann S&M-Fans und schließlich Satanisten die Empfänger sind.

Dann der Hinweis, dass die Ärzte ,,natürlich unverrückbar auf der richtigen Seite stehen", aber ,,wenn Teenager heute kopfschüttelnd latent sexistische, homo- und transfeindliche Sitcoms wie Friends wegschalten, müssen die Ärzte aufpassen, nach Jahrzehnten am Puls der Zeit nicht doch veraltet zu wirken."

cenobyte

Zitat von: this taco is not correct am 27. September 2021, 21:01:05
Wenn überhaupt, freut es mich, dass hier so viele Leute den Song anders verstanden haben. Das nimmt mir etwas die Bedenken vor den Live-Konzerten.

Aber Achtung: Rock Rendezvous, Meine Freunde, N48.3 sind auch total problematisch. Scherz. Meine Güte, DÄ veralbern alles und jeden und nicht zuletzt sich selbst häufig genug. Dass sie auch Minderheiten immer mal irgendwie spaßig vorkommen lassen, ist keine Diskriminierung, sondern Normalisierung.

Pounzer

Oder vielleicht liegt die Wahrheit halt auch in der Mitte. Manche fühlen sich von den Texten abgeholt und unterhalten, bei anderen lösen sie negative Gefühle und Assoziationen aus. Aber beide Sichtweisen sind gleich valide. Nur wer völlig empathielos dem Gegenüber gleich den Verstand abspricht oder dessen/deren Meinung als Stichwort für verallgemeinerte Statements über "diese Zeiten" missbraucht, dem will ich eigentlich gar keine Aufmerksamkeit schenken.

Partymonsterchen

Zitat von: no_name1 am 27. September 2021, 21:16:48
Danach wird noch Bezug auf ,,Meine Freunde" genommen, wo erst Homesexuelle, dann S&M-Fans und schließlich Satanisten die Empfänger sind.

Dann der Hinweis, dass die Ärzte ,,natürlich unverrückbar auf der richtigen Seite stehen", aber ,,wenn Teenager heute kopfschüttelnd latent sexistische, homo- und transfeindliche Sitcoms wie Friends wegschalten, müssen die Ärzte aufpassen, nach Jahrzehnten am Puls der Zeit nicht doch veraltet zu wirken."

Ah OK, danke dir  :)


Zitat von: Pounzer am 27. September 2021, 21:25:00
Oder vielleicht liegt die Wahrheit halt auch in der Mitte. Manche fühlen sich von den Texten abgeholt und unterhalten, bei anderen lösen sie negative Gefühle und Assoziationen aus. Aber beide Sichtweisen sind gleich valide. Nur wer völlig empathielos dem Gegenüber gleich den Verstand abspricht oder dessen/deren Meinung als Stichwort für verallgemeinerte Statements über "diese Zeiten" missbraucht, dem will ich eigentlich gar keine Aufmerksamkeit schenken.

Sehr weise Worte!

Ricco

Zitat von: supere10 am 27. September 2021, 10:28:09
10. Kerngeschäft - 6/10 (Was RICHTIG nervt: "Eboooooow" und "Mukke, Sound!")

Weiß jemand, was das mit dem "Mukke, Sound!" auf sich hat? Das ist mir schonmal auf einem DÄ Konzert begegnet. 🤷

Bobby die Bürste

Zitat von: Pounzer am 27. September 2021, 21:25:00
Oder vielleicht liegt die Wahrheit halt auch in der Mitte. Manche fühlen sich von den Texten abgeholt und unterhalten, bei anderen lösen sie negative Gefühle und Assoziationen aus. Aber beide Sichtweisen sind gleich valide. Nur wer völlig empathielos dem Gegenüber gleich den Verstand abspricht oder dessen/deren Meinung als Stichwort für verallgemeinerte Statements über "diese Zeiten" missbraucht, dem will ich eigentlich gar keine Aufmerksamkeit schenken.

Das Ganze wird aber schnell eine Gratwanderung zur Frage, was Kunst eigentlich darf, wo die Grenzen liegen und ob die Behandlung eines Themas direkt mit Glorifizierung gleichzusetzen ist. "Warrumska" behandelt Zwangsprostitution. Trotzdem finde ich den Song großartig, wegen des Kontrasts zwischen dem abscheulichen Inhalt und der fröhlichen Ska-Musik, und wie mit jeder weiteren Strophe die Fassade ein Stück weiter fällt. Das lyrische Ich wird nicht glorifiziert und ist keine Abbildung von fu, ebensowenig ist Bela der Chauvinist aus "Manchmal haben Frauen ...". Ich halte es nicht für fair, der Band aus diesen Songs einen Strick zu drehen, da sie in Interviews und auf Konzerten ziemlich deutlich zeigen, wie sie persönlich zu diesen Themen stehen.
Noot noot!

Jocke

Zitat von: Ricco am 27. September 2021, 22:13:34
Weiß jemand, was das mit dem "Mukke, Sound!" auf sich hat? Das ist mir schonmal auf einem DÄ Konzert begegnet. 🤷
Die Suchfunktion ergab: Waldbühne 19.08.12 gab es wohl irgendwelche Plakate mit Mugge und Sound - müsste eines der Nacht der Dämonen-Konzerte sein. Näheres weiß ich nicht, war nicht vor Ort und hab das Konzert länger nicht gesehen  ;)

Partymonsterchen

Zitat von: Bobby die Bürste am 27. September 2021, 22:23:10
Das Ganze wird aber schnell eine Gratwanderung zur Frage, was Kunst eigentlich darf, wo die Grenzen liegen und ob die Behandlung eines Themas direkt mit Glorifizierung gleichzusetzen ist. "Warrumska" behandelt Zwangsprostitution. Trotzdem finde ich den Song großartig, wegen des Kontrasts zwischen dem abscheulichen Inhalt und der fröhlichen Ska-Musik, und wie mit jeder weiteren Strophe die Fassade ein Stück weiter fällt. Das lyrische Ich wird nicht glorifiziert und ist keine Abbildung von fu, ebensowenig ist Bela der Chauvinist aus "Manchmal haben Frauen ...". Ich halte es nicht für fair, der Band aus diesen Songs einen Strick zu drehen, da sie in Interviews und auf Konzerten ziemlich deutlich zeigen, wie sie persönlich zu diesen Themen stehen.

Hat denn hier jemand einen Strick gedreht? Soweit ich gesehen habe wurde freundlich kritisiert, oft mit dem Zusatz, dass ja klar ist wie die Band dazu steht, bzw dass es anders gemeint ist als es vielleicht ankommt. Ich finde sowas kann man ruhig mal ansprechen. Mache ich bei Bekannten und Freund:innen ja auch.

Antipathie

Zitat von: supere10 am 27. September 2021, 20:37:52
Manchmal habe ich das Gefühl, dass Leute zwangshaft danach suchen, um von irgendwas angepisst zu sein.
"Hier ist der neue DÄ Song "Liebe gegen Rechts". Da muss es doch irgendwas geben, schließlich kommt da eine Trans-Person drin vor. Zur Not verstehen wir das halt falsch und spitzen das etwas zu."


Ach, ich denke, die Shitstormgefahr ist auch sehr reduziert, wenn die einzige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme ein selbst moderiertes Gästebuch ist. Die sollen einfach kreativ sein - der Zeitgeist ändert sich auch wieder und das was heute viele anstößig finden, könnte in wenigen Jahren schon wieder voll ok sein. Dann lieber "Selbstzensur" vermeiden, ehe ein guter Song (der ja aus mehr als nur Text besteht) dann nicht erscheint.